Kristin Haas

Wie sind Sie zum Fach Gesang gekommen?

Meine Eltern haben sich als Studenten im Chor der TU Dresden kennengelernt, das Singen wurde mir also buchstäblich in die Wiege gelegt. In unserer Familie wurde wirklich immer gesungen. Mit sechs Jahren wurde ich dann Mitglied im Philharmonischen Kinderchor. Dort sang ich mit großer Freude bis ich 18 Jahre alt war.

Gab es in Ihrer Laufbahn prägende Persönlichkeiten?

Ja, etliche. Der erste, der mich und viele andere Kinder und Jugendlichen entscheidend geprägt hat, war der damalige Chorleiter des Philharmonischen Kinderchors Wolfgang Berger. Er hat es meisterhaft verstanden, Lebensfreude und Begeisterung für die Musik auszustrahlen und gleichzeitig sehr ernsthaft und konsequent Disziplin und Leistungswillen zu fordern. Durch ihn haben wir verstanden und erlebt, dass gute Musik nur so entstehen kann. Diese Prägung beeinflusst mich und meine eigene Unterrichtstätigkeit bis heute. Ich empfinde diese Mischung als ideal für erfolgreiche Musikpädagogik. Weitere prägende Persönlichkeiten habe ich dann während meines Studiums in Weimar und in zahlreichen musikalischen Projekten kennengelernt.

Wie ging es dann weiter?

Mit 14 Jahren habe ich Gesangs- und Klavierunterricht genommen, Geigenunterricht hatte ich bereits als Kind, später habe ich in verschiedenen Laien-Orchestern gespielt. Die größte Begeisterung aber gehörte immer dem Singen. Nach dem Abitur habe ich folgerichtig zunächst Gesang in Berlin studiert, nach zwei Jahren befanden meine Lehrer meine Stimme jedoch als zu klein und ich musste mich umorientieren. Zunächst wusste ich nicht so richtig, wie es weitergehen sollte. Auf Vorschlag meine Mutter, die Ärztin war, habe ich ein Jahr lang im HNO-OP gearbeitet. Das hat mich sehr geerdet. Aber ich wollte Musik machen und deshalb habe ich einen zweiten Anlauf genommen: an der Hochschule für Musik Weimar (wo ich das Glück hatte, gleich in der ersten Woche in den damals sehr renommierten Kammerchor der Hochschule aufgenommen zu werden), habe ich Schulmusik studiert, danach Gesangspädagogik. Die Wendezeit brachte es mit sich, dass ich dann sogar in der Schulmusikabteilung der Weimarer Hochschule zwei Gesangsschülerinnen hatte, für die Stadtverordnetenversammlung Weimar und in der Kulturredaktion einer Tageszeitung gearbeitet habe, ziemlich bunt alles.

Aus der Kulturredaktion in die Musikschule des Landkreises Meißen, wie kam das?

1992 erfuhr ich von einer ausgeschriebenen Stelle in der Schulleitung dieser Musikschule, die vermuteten Gestaltungsmöglichkeiten reizten mich sehr. Ich bewarb mich und wurde als stellvertretende Schulleiterin eingestellt, seitdem arbeite ich an dieser Schule, 2013 bin ich dann Schulleiterin geworden.

Nun hatte ich also eine Tätigkeit, in der ich viel tun konnte für das Singen, zunächst natürlich bei meinen Gesangsschülerinnen und -schülern. Dass im Laufe der Jahre einige von ihnen Gesang studiert haben, freut mich natürlich. Dass es mir bei sehr vielen gelungen ist und gelingt, das Singen als lebenslange Kraft- und Freudenquelle zu etablieren, das freut mich fast noch mehr, denn sie alle tragen Begeisterung weiter, singen mit ihren Kindern und in Chören.

Kurz nach der Geburt meines Sohnes 1995 habe ich dann angefangen, »Musikgarten« zu unterrichten, als eine der ersten in Sachsen. Das ist ein Konzept für frühes Musizieren mit Kleinkindern und einem vertrauten Erwachsenen. Die daraus entstandenen Eltern-Kind-Gruppen gibt es mittlerweile überall. Lieder, Tänze, Fingerspiele und vieles mehr führen die Kinder, aber eben oft auch die Eltern, sehr spielerisch in die Welt des Musizierens ein. Diese Arbeit hat mir immer großen Spaß gemacht, ich habe fast 20 Jahre lang durch diesen Unterricht unzähligen Kindern und ihren Familien den Weg in die Musikschule und zum Musizieren geebnet.

Ihre Musikschule hatte auch eine Vorreiterrolle beim Programm Jedem Kind ein Instrument abgekürzt Jeki .

Ja, das war eine aufregende Zeit. Dieses Programm bietet den Erst- und Zweitklässlern in ihren Schulen die Möglichkeit, Instrumente kennenzulernen und auszuprobieren. Wir waren die ersten in Sachsen, die 2006 an fünf Grundschulen in unserem Landkreis mit diesem Unterricht begonnen haben, im Laufe der folgenden drei Jahre wurden es 15 beteiligte Schulen. Das Landesprogramm Jeki wurde 2009 auf der Grundlage unserer Erfahrungen ins Leben gerufen und ist bis heute eine wichtige Möglichkeit, besonders im ländlichen Raum, Kinder mit Musik vertraut zu machen. Parallel dazu haben wir an unserer Schule in den letzten Jahren an vielen Grundschulen Chöre gegründet, auch als Reaktion darauf, dass die Raumkapazitäten der Schulen oft nur ein einziges musikalisches Angebot zulassen, auch da ist Singen einfach ideal.

Was liegt Ihnen im Jahr der Stimme besonders am Herzen?

Dass wir Bedingungen schaffen, die dem Singen ganz allgemein aber besonders in Kita und Schule wieder mehr Raum eröffnen und dass so viele Menschen wie möglich die Schönheit des Singens entdecken! Es gibt Pläne, das Jeki-Projekt auszubauen mit einem speziellen Angebot für das Singen, die der Landesverband Sachsen des Verbandes deutscher Musikschulen sehr befördert. Eine Initialzündung gab es 2024 mit dem sachsenweiten Projekt „Stimme:an!“, an dem an 20 Musikschulen 1500 Kinder und Jugendlichen teilgenommen haben. Es war wundervoll zu erleben, was da an Sing-Initiativen zustande gekommen ist und mit welcher Begeisterung die Kinder und Jugendlichen gesungen haben. Singen ist einfach wunderbar geeignet, Menschen an Musik heranzuführen, jeder besitzt diese Instrument und kann es unter guter Anleitung sehr schnell,  freudvoll und gemeinsam mit anderen einsetzen. Nötig sind gute und motivierende Pädagogen, die ihr Wissen und ihre Fähigkeiten einsetzen, die stimmlichen Möglichkeiten der Kinder zu entwickeln und voller Begeisterung sind für ihr Tun, da bin ich gleich wieder bei meiner eigenen Zeit im Kinderchor … Im Jahr der Stimme wünsche ich möglichst vielen Kindern und Jugendlichen, dass sie diese Erfahrung machen können.


Kristin Haas ist Leiterin der Musikschule des Landkreises Meißen mit Haupt-Standorten in Meißen, Radebeul, Coswig, Riesa, Großenhain und ca. 4000 Musikschüler/-innen. Sie unterrichtet das Fach Gesang. Außerdem ist sie 2. Vorsitzende des Landesverbands Deutscher Musikschulen Sachsen e.V. Nach Jahrzehnten des Singens in Chören wie dem Dresdener Kammerchor und dem Sächsischen Vocalensemble ist sie nun Mitglied des Tilia Ensembles Dresden, das in der Regel fünf bis sechs Konzerte im Jahr singt.