Die Mandoline ist Instrument des Jahre 2023.
Das freut mich natürlich sehr und ist Balsam für Seele und eine große Chance für das oft zu Unrecht belächelte Instrument.
Ja, gerade zärtlich ist man nicht mit ihr umgegangen.
Sie wurde sogar als »wimmernder Kürbis« oder »bespannte Erbse«, betitelt. Mein Vater hat sich als Zupfer bezeichnet: »Ich zupfe nämlich Unkraut im Garten.« Das alles ist natürlich wenig schmeichelhaft. Aber vielleicht hat mich das auch angespornt, mir dazu beizutragen, die Mandoline aus diesem Schattendasein zu befreien – denn mir war klar, dass das ein tolles Instrument ist. Ja, und als ich dann meine ersten Konzerterfolge hatte und gute CD-Rezensionen erhielt, verstummten auch die Scherze …
Nicht gerade ein uneingeschränkter Ansporn gerade dieses Instrument zu erlernen.
Oh doch … Mein Bruder hat klassisch Klavier gespielt und ich wollte etwas anderes machen. Im Alter von sechs Jahren hörte ich Solo Mandoline und fand das Instrument auf Anhieb so schön, irgendwie auch exotisch. Außerdem ist das Instrument kleiner als eine Gitarre, handlicher, man kann sie überall mit hinnehmen und es gibt für jeden Geschmack das passende Model. Die Mandoline ist einfach wunderschön.
Sie haben weltweit die einzige Professur für Mandoline inne. Geben Sie uns einen kleinen Einblick in Ihren Alltag?
Ich schlafe wenig (lacht). Meine Mandolinenklasse an der Hochschule ist groß und die Nachfrage mittlerweile so hoch, so dass ich leider nicht alle Bewerber:innen aufnehmen kann. Ich unterrichte nicht nur Mandolinist:innen aus Deutschland auch viele internationale Studierende. Sie kommen aus Asien, Südamerika, Europa und den USA. Der Frauenanteil bei den Student:innen ist interessanterweise in Deutschland im Verhältnis höher, während in Italien, Israel, Südamerika und den USA die Männer das Instrument dominieren. Neben meinen Fachunterricht erteile ich auch Unterricht in Kammermusik und leite unser großes Barockensemble mit historischen Mandolinen, Lauten, Theorbe und Cembalo. Die Inhalte des Studiums richten sich – neben der Vermittlung der Originalliteratur, der Geschichte unseres Instruments und den pädagogischen Fächern – auch Inhalten, die man für sein späteres Berufsleben benötigt. Ich selbst war und bin relativ breit aufgestellt und das Konzertieren nimmt neben meiner Unterrichtstätigkeit einen sehr großen Anteil in meinem Leben ein. Ich bin als Solistin und Kammermusikerin unterwegs, so u.a. auch mit meinem Partner Mike Marshall. So lebe ich die ganze Fülle des Musiker:innendaseins und versuche meinen Studierenden das zu vermitteln, was ich auch selber lebe... Dazu gehört neben der Liebe zur Musik, dem Aneignen von Wissen und Können natürlich auch Disziplin, also keine Scheu vor harter Arbeit … das Üben gehört auch dazu.
Was ist denn so spannend an der Mandoline?
Die Mandoline ist unendlich vielseitig. Ursprünglich stammt die Mandoline aus dem italienischen Raum und hatte Ihre Blüte in der Zeit des Barock und ihre Hochzeit vor allem Mitte des 18. Jhd. in Frankreich. Sie wurde zu dieser Zeit mit einer Feder gespielt und war das Instrument des Adels. Berühmte Persönlichkeiten der damaligen Zeit spielten Mandoline, was anhand der hochrangigen Widmungsträger der erhaltenen Schulwerke und Kompositionen ersichtlich ist. Auch die Barockmandoline, eine kleinere Sopranlaute, war populär. Die Laute galt übrigens in der Barockzeit als Königin der Instrumente. Mit der französischen Revolution und der Eliminierung des Adels kam dann nicht nur eine politische Wende sondern auch ein sogenannter Kulturschock für unser Instrument. Die Mandoline tauchte dann Jahre später im Wiener Kulturkreis auf und ab Mitte des 19. Jhd. dann wieder in Italien. Das Image hatte sich dann jedoch gewandelt und Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Mandoline zur Geige des kleinen Mannes. Vielleicht lag es auch daran, dass ihre Anschaffung erschwinglich wurde.
Man kann also sagen, dass sie durch die Jahrhunderte von allen Bevölkerungsschichten gespielt wurde?
Ja, zunächst war ihr Spiel dem Adel und berühmten Persönlichkeiten vorbehalten, nach der französischen Revolution stand es allen offen, das Instrument zu erlernen, was dann rege genutzt wurde. In der Wandervogelbewegung verkörperte ihr Klang einen Hauch von Freiheit und Natur. Viele Mandolinengruppen, Mandolinenorchester und Vereine wurden gegründet, u.a. auch in Städten, in denen es Bergbau gab. Auch in der ehemaligen DDR gab es die Tradition der Mandolinenorchester und eine rege Mandolinenszene. In West und Ost bildeten sich im Laufe der Jahre verschiedene Spielweisen heraus, so dass es nach der Wende große Unterschiede in der Spieltechnik gab. Ich selbst bin ja in Magdeburg aufgewachsen und kenne daher die Unterschiede in der Technik sehr gut. Das hat sich aber inzwischen, nach 30 Jahren, ziemlich angeglichen.
Das Interessante an der Mandoline ist auch ihre Vielseitigkeit in den unterschiedlichen Genres und in ihren Bauformen.
Ja, das stimmt. Die Mandoline wird in sehr vielen Ländern gespielt und somit ist sie auch in verschiedenen Stilen zuhause. In Brasilien ist die Mandoline aus der Choromusik nicht wegzudenken. Diese melanchonischen Weisen oder auch Stücke in sehr hohem Tempo mit typischen und z.T. komplizierten Rhythmen klingen auf der Mandoline toll. In dieser Musik ist sie neben der Flöte oder Klarinette zu hören ist. Das Instrument ist auch in Japan beliebt, wo es eine riesige, vorrangig klassische Mandolinenszene gibt. Auch in den USA in der Country-, besser gesagt der Bluegrassmusik ist die Mandoline unglaublich populär. Ja, und in allen diesen Ländern haben sich eigene Mandolinentypen herausgebildet, so dass man unser Instrument in unterschiedlichen Bauformen bewundern kann. Das führt dazu, dass man z.B. in den USA meine klassische Bauch-Mandoline auch mal für ein Banjo gehalten hat, da in den USA eher die flache Gibson-Mandoline bekannt ist. Aber in der Zeit des Barock und auch in der Klassik wurde für die Kunstmusik die bauchige Mandoline bevorzugt und das hat sich bis heute so gehalten. Die Klangentwicklung ist durch einen bauchigen Korpus eine andere.
Was wird in diesem Jahr getan, um dem Instrument zu noch mehr Bekanntheit zu verhelfen?
Die Mandoline ist – wie man sieht – sehr vielseitig und man kann mit ihr nicht nur das berühmte Ständchen aus Mozarts Don Giovanni spielen oder wunderbare Originalwerke in verschiedenen Kammermusikbesetzungen, sondern genauso selbstverständlich auch Blues, Jazz oder Popmusik. Ihre Rolle in der allgemeinen Klassik-Szene gleicht zwar noch einer Orchidee, aber ihre Akzeptanz ist in den letzten Jahren enorm gestiegen und ich erlebe immer wieder in Konzerten, wie gut sie beim Publikum ankommt. Es freut mich daher sehr, dass ich dieses Jahr u.a. auch einen eigenen Abend innerhalt eines großen Musikfestivals in der Elbphilharmonie geben werde. Weitere Kollegen auf diesem Festival sind Chris Thile, Hamilton de Hollanda, Mike Marshall und Avi Avital. Das zeigt doch, dass sich schon viel getan hat und unser Instrument Jahr um Jahr an Beliebtheit gewinnt. Das Image der Mandoline ist im Wandel, das Engelcheninstrument hat Sex Appeal bekommen. Aber natürlich haben wir noch einen langen Weg vor uns und deshalb ist 2023, das »Jahr der Mandoline« so wichtig, um die Pionierarbeit unserer Vorgänger weiterzuführen und unserem Instrument Gehör zu verschaffen – ob auf der großen Bühne oder in der pädagogischen Nachwuchsarbeit wie an Schulen oder Kitas.
Das Gespräch führte Christina Schimmer