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Birgit Pfarr

Ich kam durch Zufall zur Mandoline. Mein Vater wollte unbedingt, dass seine Tochter ein Instrument spielt und schleppte mich in die Musikschule, wo ich mich einer Aufnahmeprüfung unterziehen musste. Leider war ich so aufgeregt, dass ich die Prüfung nicht bestand und wegen »unrhythmischen Verhaltens« abgewiesen wurde, dann wurde aber ein Mandolinenplatz frei. Mein Vater ruhte nicht eher bis ich das Leihinstrument erstmals in den Händen hielt. Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Ursprünglich wollte ich Flöte lernen. Dem Instrument meiner Oma hatte ich schon recht melodische Töne entlockt. Auch Klavier kam in Frage. Das passte aber nicht in unsere Neubauwohnung. Apropos Neubaugebiet. Ich habe es gehasst mit der Mandoline, die lappenartig in grünes Segeltuch gehüllt war, durch unsere Blocks zu laufen. Ich habe das als Spießrutenlaufen empfunden und dann die Kommentare der Leute: »Nu gugge, eene Balaleika.« Ich hatte wegen des ungeliebten Instruments, das ich am liebsten gar nicht erst angefangen hätte, Streit mit meinem Vater und war einmal so wütend, dass ich die A-Saite beim Üben zum Platzen gebracht habe.

In der 5. Klasse wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, Mandoline zu studieren. Da war ich sprachlos. Sich so früh entscheiden zu müssen war in der DDR allerdings nicht ungewöhnlich. Ich sagte, »ja«, weil sich so endlich die Möglichkeit ergab, Gitarre und Klavier zu erlernen. Die Mandoline hatte ich immer noch nicht liebgewonnen. Ab der 7. Klasse habe ich fast in der Musikschule gewohnt: Orchester, Quartett, Musiktheorie und drei Instrumente lernen –  da war der Nachmittag komplett gefüllt. Trotzdem habe ich mich immer noch für mein Hauptinstrument geschämt, das angeblich kein Instrument ist. Das habe ich oft gehört. Wann der Wendepunkt kam? Wahrscheinlich als ich Gertrud Tröster, jetzt Weyhofen, zum ersten Mal gehört habe. Ihre Art, frühklassische Mandoline zu spielen, hat mich begeistert. Dazu muss man wissen, dass eine Mandoline doppelchörig gespannt ist. Frühklassisches Spiel ist differenziertes Spiel mit jeweils einer oder beiden Saiten. An dieser Stelle lohnt es sich, auf die drei großen »Säulen« oder Strömungen wie ich es nenne zu schauen. Die erste umfasst die frühklassische Blütezeit um 1760, die alte italienische Schule. Es ist die Zeit der Barockmandoline, die mit einem Federkiel gespielt wurde.

Die zweite Säule beschreibt die Situation in der DDR. Hier gab es die Erich Repke Technik bei der eher aus dem ganzen Arm gespielt wird, der kleine Finger bleibt dabei fest auf der Decke des Instrumentes stehen. Dresden war eine Art gallisches Dorf, wo Victor Weiße Schulwerk, Methode und Anschlag diametral gegenüber dem Rest der DDR ausgerichtet hatte. Hier kommt die Spielweise eher aus dem Handgelenk, der kleine Finger führt, der Wechselschlag wurde sehr differenziert verwendet.

Die dritte Säule wird in Westdeutschland praktiziert, mit bewegtem Handgelenk, eine frühklassische Art in der modernen Zeit. Das Klangideal ist anders, weicher. Die unterschiedlichen Klangideale machen sich bis heute, z.B. bei Wettbewerben bemerkbar.

Ich unterrichte sehr gern. Um Mandoline zu spielen braucht man eine gute Feinmotorik, Geduld und darf nicht wehleidig sein. Das Instrument hat vier mal zwei Stahlsaiten. Bis man sich Hornhaut auf die Fingerkuppen trainiert hat, muss ein/e Anfänger/-in manchen Schmerz ertragen und wirklich Geduld haben, denn bis überhaupt ein erster brauchbarer gegriffener Ton herauskommt, gehen fünf bis sechs Wochen ins Land. Der Schwierigkeitsgrad ist vergleichbar mit den Anfängen beim Violinspiel.

Noch ein Wort zu dem Begriff »Zupfer«. Der ist schlichtweg falsch, denn bei einer Mandoline wird der Ton nicht gezupft, sondern angeschlagen. Das ist ein Riesenunterschied, deshalb vermeide ich diesen falschen Begriff rigoros. Als Lehrerin ist es mein Lebenswerk, Schüler/-innen zu einem klangvollen Anschlag zur führen (ohne Rupfen der Saiten).

Wenn ich ein kleines Fazit ziehen soll, bin ich meinem Vater sehr dankbar dafür, dass er mich zur Mandoline hingeführt hat, mich hartnäckig dabei begleitend. Ich hätte es damals nie gedacht, aber es hat sich so entwickelt: Die Mandoline ist mein absolutes Lieblingsinstrument!