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Johann Walter Plakette 2020 – Laudatio auf Silke Fraikin

Es ist mir eine grosse Freude, heute hier zu stehen und Lobesworte für Silke Fraikin zu sprechen, anlässlich der Verleihung der Johann Walter Plakette, die an Persönlichkeiten vergeben wird, die sich durch ihr Engagement im Musikleben des Freistaates besondere Verdienste erworben haben. Silke Fraikin ist eine Person, die diese Auszeichnung im Besonderen verdient.

Mich hat immer erstaunt, wie jemand eine Stadt, eine Region, ein Land, in diesem Fall Dresden, so absolut zu seiner Heimat machen kann, sie um keinen Preis verlassen möchte, in ihr lebt, arbeitet und wirkt, um Dinge zu bewegen und zu ihrem Besten zu verändern wie sie.

Wir ehren heute Silke Fraikin und ich möchte hier über sie sprechen, die 1967 in Weissenfels Geborene, die in Dresden aufgewachsen und seitdem in dieser Stadt verwurzelt und aufs engste mit ihrem kulturellen, musikalischen und künstlerischen Leben verbunden ist. Ich begegnete ihr zum ersten Mal am Jahresende 1982 - ich selbst war, kurz vor dem Abitur in Dessau stehend, schon 6 Jahre Mitglied der Kinderkomponistenklasse Halle (in der Schüler aus dem ganzen damaligen Bezirk Halle im Alter von etwa 10 bis 18 Jahren unterrichtet wurden), ihr Leiter Hans Jürgen Wenzel erweiterte diese in jenem Jahr um einige Dresdner Schüler zur Komponistenklasse Halle-Dresden. Im Haus des in Halle Dölau lebenden Komponisten (1939-2009) nahm unsere bis heute andauernde Freundschaft ihren Anfang. Wenzel hatte ein offenes Haus, lud seine Schüler zum Kochen, zum Reden, zum Komponieren und Musik hören ein und in entspannter, aber mit Diskussionen und Musik angefüllter Atmosphäre kamen wir schnell ins Gespräch (das gemeinsame Kochen können wir bis heute in perfekter Harmonie, es ist nur leider zu selten Gelegenheit dazu …)

Wenzel forderte mich auf, wie sich Silke erinnerte, ihr mein frisch fertiggestelltes Streichquartett zu zeigen. Dieses uns gelehrte Miteinander, voneinander lernen, hat sie bis heute in ihrem Unterricht beibehalten, es ist des Lernens kein Ende, ob man gleichaltrig, älter oder jünger als das Gegenüber ist. Vielleicht ist das eines der Geheimnisse ihrer Pädagogik. Bis heute folgen ihr die Schüler begeistert, sie arbeitet mit stetiger Energie und Humor, gepaart mit der nötigen Strenge, die zur Arbeit auffordert und der Fantasie doch den Raum zur Entfaltung lässt. Unser gemeinsamer musikalischer Weg setzte sich 1983 fort in den Kursen der KKK in Freyburg an der Unstrut - wo unser Gesang mit dem zur Landschaft passenden Lied »Oh Täler weit oh Höhen« von der Mauer des Schlosses erscholl. An den Abenden sangen wir älteren Schüler zu unserem Vergnügen die fünfstimmige Bach-Motette »Jesu meine Freude« und hier wurde wohl definitiv der Grundstein zu Silke Fraikins Liebe am Gesang gelegt. Nicht umsonst wurde sie 1986 (im staatlich verordneten Apfelernte-Einsatz der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden, an er sie seit diesem Jahr Komposition und Klavier studierte) zum Gründungsmitglied des Dresdner Kammerchores mit Hans Christoph Rademann und holte mich nach dem Ernte-Einsatz sofort in den Chor.

Silke Fraikin sang selbst über 20 Jahre im Dresdner Kammerchor und war dem renommierten Ensemble auch als Projektmanagerin verbunden, initiierte zahlreiche Chorprojekte mit Ur- und Erstaufführungen und leitete den Internationalen Kompositionswettbewerb des Dresdner Kammerchores anlässlich des Doppeljubiläums der Dresdner Musikhochschule und der Stadt Dresden 2006, in dem sie mich in die Jury verpflichtete.

Lassen Sie mich nun von der Leiterin der Komponistenklasse und der Komponistin Silke Fraikin sprechen: Ich war sehr glücklich, als Silke die Leitung der später eigenständig werdenden Komponistenklasse Dresden 1991 übernahm, weil ich wusste, nun wird diese Klasse eine Zukunft haben.

Zum Unterrichtskonzept gehört es von jeher, junge Musik-Erfinder an die verschiedenen Kunstsparten heranzuführen, genreübergreifendes Arbeiten auch mit anderen Jugendprojekten anzuregen. So gab es Aufführungen in Zusammenarbeit mit dem Landesjugendorchester Sachsen, mit den Autoren der Dresdner Kinderlesebühne, mit jungen Komponisten »Maly Dvořák« aus Prag, gleichaltrigen Interpreten des Ensemble C – Junges Ensemble für Neue Musik Chemnitz sowie mit bildenden Künstlern bei den KlangKunstHöfen Bärwalde. Beim 82. Bachfest der Neuen Bachgesellschaft 2007 in Freiberg rief sie als Produktionsleiterin gemeinsam mit dem Künstlerischen Leiter Christian Skobowsky den Bachfest-Kompositionswettbewerb für Kinder und Jugendliche (Schirmherrschaft: Sofia Gubaidulina) ins Leben.

2012 konnte sich die Komponistenklasse Dresden erfolgreich bei »Kids on Stage« im Festspielhaus Hellerau präsentieren, als das Kooperationsprojekt »Junger Tanz & Neue Töne« mit Studierenden der Palucca Hochschule für Tanz Dresden und Musikern der Dresdner Sinfoniker Premiere feierte. Gemeinsam mit der Dresdner Kinderlesebühne und dem MDR Kinderchor brachte die Komponistenklasse Dresden 2014 schreibende, komponierende und singende Kinder und Jugendliche aus ganz Deutschland beim Preisträgerkonzert des Jugend-Kompositionswettbewerbs »Verträumt und zugedeckt – Geschichten und Lieder aus der Nacht« auf die Bühne im Festspielhaus Hellerau. 2015 entstand erstmals ein Musiktheaterprojekt in Kooperation mit dem Heinrich Schütz Musikfest und der Serkowitzer Volksoper, das in sechs Aufführungen in Dresden, Halle/Saale, Chemnitz, Graupa und Hellerau zu erleben war. Die Realisierung all dieser Projekte wäre ohne die engagierte Leitung Silke Fraikins nicht möglich gewesen.

Sie organisiert auch federführend die traditionsreichen Ferienkurse zweimal im Jahr, wo neben Kompositionsunterricht, Singen und Musizieren auch Workshops und Vorträge mit Musikern und Künstlern auf dem Programm stehen. Höhepunkt dieser Arbeit sind die Uraufführungskonzerte, die in Kooperation mit dem Europäischen Zentrum der Künste Hellerau stattfinden und denen eine intensive Probenarbeit der Interpreten mit den jungen Komponisten vorausgeht. Hier werden die neu entstandenen Kompositionen aller Schüler von engagierten Profi-Musikern uraufgeführt. Zahlreiche Ensembles spielten diese, eines davon ist das 2017 gemeinsam mit Milko Kersten gegründete Klangkollektiv Opus Eins.

Belohnt wurden all diese Bemühungen bereits im Jahr 2015, als die Komponistenklasse Dresden mit dem Sächsischen Initiativpreis für Kunst und Kultur ausgezeichnet wurde. In der Laudatio zur Verleihung des Preises spricht Wilfried Krätzschmar davon, wie die jungen Komponisten den Unterricht sehen, ich zitiere: »Man erfährt etwas davon, wie sich Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit ineinander befinden, von der Heiterkeit und den Mühen wie auch dem Stolz des Schaffens, vom Umgang mit dem Außen und dem eigenen Innen, vom Streben, gestalten zu können, daß andere bewegt werden von dem, was einen selbst bewegt […]« Dieses Unterrichtsprinzip hat Silke Fraikin zutiefst verinnerlicht. In diesem Sinne Wenzels zu unterrichten, verbindet mich seit vielen Jahren mit ihr und ich bin froh, diese Arbeit in den Kursen der Klasse mit ihr teilen zu dürfen.

Silke Fraikin als Komponistin

Als Komponistin schuf sie eine Reihe von Kammermusik- und Vokalwerken sowie Auftragskompositionen für das Dresdner Zentrum für zeitgenössische Musik, die EXPO 2000 Hannover und das Jubiläumskonzert des Dresdner Kammerchores, die von Ensembles wie UnitedBerlin, musica-viva-ensemble dresden, Les Percussions de Strasbourg, Sinfonietta Dresden, Dresdner Kammerchor und Dresdner Barockorchester uraufgeführt wurden, darunter »Grazioso 222 – Quod libet für Kammerorchester« zum Abschluss der Dresdner Konzertreihe »Spannungen« 2008, das Orgelwerk »sottovento« für die Wiedereinweihung der Großen Rieger-Orgel im Ratzeburger Dom 2013, »Nachtgesänge« für das Jubiläum »30 Jahre Dresdner Kammerchor« 2016 und »Zeitkapsel« anlässlich »25 Jahre Dresdner Hofmusik« 2019.

Seit 2007 ist Silke Fraikin freischaffend als Komponistin, Pädagogin und Projektmanagerin tätig und verbindet kunstvoll, scheinbar nie müde werdend diese Funktionen und wirkt in allen Bereichen gleichermassen engagiert und gleichzeitig umsichtig, immer zum Wohl ihrer Schüler, der Musiker, der Kollegen, unermüdlich die Kunst, die Musik vermittelnd, vorantreibend. Deshalb wurde sie auch von 2014 bis 2016 in den Fachbeirat Darstellende Kunst und Musik der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen berufen und wirkte dort ehrenamtlich 3 Jahre lang an den Beratungen zu den Förderanträgen von Projektträgern aus ganz Sachsen mit. Ich glaube, es ist unmöglich, all ihre Initiativen und Projekte zu erwähnen und gebührend zu würdigen.

Zum Schluss möchte ich den Bogen noch einmal zu unserer gemeinsamen Arbeit schlagen und dazu noch zwei uns verbindende Projekte erwähnen: Die KK erhielt wiederholt Anfragen nach neuer Klavierliteratur, die sich für Klavierschüler eignet, aber gleichzeitig künstlerischen Ansprüchen gerecht wird, deshalb haben wir komponierende Kinder und Jugendliche angeregt, selbst Klavierstücke zu schreiben. Dabei gingen sie auch auf die Suche nach neuen Klängen, bezogen ungewöhnliche Spieltechniken ein und entdeckten das Innere des Flügels.

Silke Fraikin brachte letztendlich, um diese Ideen klingend werden zu lassen, den bundesweiten Jugend-Kompositionswettbewerb »Von fremden Ländern und Menschen« gemeinsam mit dem Sächsischen Vocalensemble e.V. und der KK auf den Weg. Dafür entstanden etliche Stücke, die jetzt im Neuen Album für die Jugend »Das wohlpräparierte Klavier« enthalten sind. Dieses Klavierbuch ist eine Fundgrube für Klavierpädagogen und heranwachsende Pianisten! Damit es im Frühjahr 2020 während des Corona-Shutdowns endlich im Gravis-Verlag erscheinen konnte, war enorm viel Zeit, Empathie, Energie und Durchhaltevermögen gefragt ... da bewies Silke Fraikin die von ihr selbst so benannte Hartnäckigkeit.

Im Moment arbeiten wir mit jungen Komponierenden aus Dresden und Strasbourg an ihren Stücken für das Projekt »Voyage a Strasbourg«, das im Herbst im Konservatorium Strasbourg und danach in Dresden und Chemnitz anlässlich »30 Jahre Städtepartnerschaft Dresden – Strasbourg« mit dem collectif Lovemusic aus Strasbourg präsentiert wird. Auch dies ein Projekt, welches ohne Silke Fraikins erwähnte »Hartnäckigkeit« nicht so Erfolg versprechend die letzten Monate überlebt hätte. Seit 3 Jahren gibt es den deutsch-französischen Schüleraustausch und ich bin glücklich, diese Arbeit in Strasbourg tun zu können und zu wissen, ich habe die verlässlichste Partnerin die man sich wünschen kann, in Dresden.

Das Leben selber, wenn wir es in die Hand nehmen, ist das größte, vielschichtigste Kunstwerk, oder anders gesagt: eine Partitur mit verschiedensten Systemen, die sorgsam und liebevoll aufeinander abgestimmt sein wollen. Silke Fraikin hat in diesem Sinn viel gewagt, viel geschafft und viel geschaffen in ihrem Leben als Komponistin, Pädagogin, Managerin und Veranstalterin. Ich gratuliere Dir, liebe Silke, aufs herzlichste zur heutigen Auszeichnung und freue mich auf viele gemeinsame Abenteuer und wünsche Dir Kraft und Gesundheit für alles, was Du anpackst!

Annette Schlünz