Sehr geehrte Damen und Herren,
von 1526 bis 1548 leitete Johann Walter die Torgauer Stadtkantorei. Der Lehrer, Kantor, Dichter und Komponist Johann Walter hat einen historischen Beitrag für die Wende zur Neuzeit in Deutschland und Europa geleistet und war, das wird das Jubiläumsjahr für Heinrich Schütz 2022 zeigen, einer der ersten großen sächsischen Humanisten. Der Sächsische Musikrat als Verleiher der Johann-Walter-Plakette ist ein dem Gemeinwohl verpflichtetes Gremium, welches sich die Erhaltung der Vielfalt der Musikkultur, insbesondere in den Bereichen Amateur- und Jugendmusik und den Betrieb einer Landesmusikakademie in sächsischer Ausprägung zur Aufgabe gemacht hat.
Zu Recht selbstbewusst stellt sich das Sächsische, auch in dieser Feierstunde, als eine der vielen wertvollen Ausformungen der deutschen Kultur dar. Gegenwärtige Diskussionen betonen dabei wieder stärker das Deutsche. Zu erinnern ist in dem Zusammenhang, dass das erste Deutsche Reich 1871 leider nicht zuvörderst als sinnstiftender staatlicher Verfassungsort gegründet wurde, sondern auch das Ergebnis eines militärischen Triumphes über Frankreich gewesen ist - mit der bis heute nachwirkenden Folge einer unseligen Spaltung von demokratischem und nationalem Empfinden. Ein Problem, welches mittlerweile etlichen Nationen des gegenwärtigen Europa zu schaffen macht.
In diesem Sinne möchte ich das Wirken des Musikrates verstehen: einer sächsischen Nationalkultur als Teil einer deutschen Kulturnation beförderlich zu sein. Ziel wäre das lebendige Gestalten einer deutschen Nationalität, die den Begriff nicht staatlich, sondern sprachlich-kulturell definiert. Und diese sprachlich-kulturelle gefasste Kulturnation, wo sie wirksam war und werden wird, hat die Kraft und Fähigkeit heilend zu wirken und Spaltungen und Radikalisierungen entgegen zu wirken.
Vor diesem Hintergrund scheint notwendiger denn je zu sein anzuerkennen, dass die aktuelle Diskussion welche Berufsgruppen gesellschaftlich mehr oder weniger relevant sind, und ob man nicht etwa den Pfarrer, Philosophen, Musiker oder Kunstpädagogen als im Prinzip entbehrlich einzustufen hätte, in die Verrohung dieser Gesellschaft führen würde. Der Kantor Johann Walter ist ja gerade für das Gegenteil, nämlich die Relevanz seines Wirkens berühmt geworden und heute unser geistiger Pate.
Die Vergabe der Johann-Walter-Plakette erfolgt laut Satzung an Persönlichkeiten, die sich um die Pflege der Musiktradition und des Musiklebens in Sachsen, die Förderung des musikalischen Nachwuchses oder die Entwicklung des zeitgenössischen Musikschaffens in Sachsen besondere Verdienste erworben haben. Die Ehrung soll eine engere Verbindung zwischen der geehrten Persönlichkeit und dem Sächsischen Musikrat begründen. Die heute Auszuzeichnenden haben sich verdient gemacht und prägen unzählige Menschen mit ihrer Haltung, ihrem Tun und deshalb werben wir um Ihr Mittun an unserer Seite.
Zu Musizieren heißt immer auch zuhören, eigene Bedürfnisse zu Gunsten des Gesamtklanges zurückzustellen. Beim Musizieren werden demokratische Grundtugenden trainiert. Gerade deshalb müssen wir aktuell mit Bedacht aber auch Mut Lösungen suchen, die die Mitglieder unserer Gesellschaft unterschiedlichster Denkart in abertausenden Chören, Orchestern, Jugendkunst-, Musik- und Tanzschulen wieder zusammenbringen, um eben diese Tugenden auszuleben.
Meinungsfreiheit bedeutet nicht Handlungsfreiheit
Viele Menschen verstehen gerade nicht, dass sie das volle Recht auf eine freie Meinung haben. Auch auf die Meinung, dass die Regeln, die für alle gelten, falsch sind. Aber das bedeutet nicht, dass sie sich deshalb nicht an diese Regeln halten müssen. Weil das demokratische System (wie jedes gemeinsame Musizieren) eben nicht funktioniert, wenn alle immer nur das tun, was ihrer Privatmeinung entspricht. Neben Ludwig van Beethoven und Friedrich Hölderlin, hätte Georg Wilhelm Friedrich Hegel als einer der drei herausragende Persönlichkeiten des denkwürdigen Geburtsjahrganges 1770 die Präambel, dass Meinungsfreiheit nicht Handlungsfreiheit bedeutetsofort unterschrieben:, von ihm stammt der Satz Freiheit besteht in der Einsicht der Notwendigkeit.
Wir haben heute die Einsicht, dass es notwendig schien, Sie, liebe Preisträger zu ehren und sie macht uns frei, sich mit Ihnen von Herzen zu freuen.
Prof. Milko Kersten