Meine sehr geehrten Damen und Herren,
am Anfang eine wahre Begebenheit: Vielleicht 20 Jahre ist es her, ein uns befreundetes Ehepaar ist mit dem Auto unterwegs. Hinten im Auto sitzt der drei-, höchstens vierjährige Nachkömmling. Unerwartet lässt er sich mit der Botschaft vernehmen: »Ich bin ein Saurier«. Und nach einer kurzen Pause fügt er hinzu »… und ich sterbe jetzt aus!«
Ich komme darauf zurück!
Zunächst darf ich Ihnen in sieben Punkten illustrieren, warum dem Sächsischen Musikrat zu der Entscheidung zu gratulieren ist, Ekkehard Saretz die Johann-Walter-Medaille zu verleihen:
- Ekkehard Saretz ist in seiner Kindheit im Pfarrhaus in Potsdam mit der Vielfalt Evangelischer Kirchenlieder aufgewachsen und hat diesen jahrhundertealten Schatz, dessen Entwicklung ja vor 500 Jahren hier in Torgau irgendwie mitbegonnen hat, singend, dirigierend und spielend, lebendig und mit großer Liebe – besonders in den Gottesdiensten und den Proben der Johann-Walter-Kantorei – weitergegeben.
- Er ist als Kirchenmusiker immer besonders der Orgel treu geblieben und hat es verstanden, fortwährend mit der Schönheit dieses Instruments und seinen diversen Möglichkeiten die Menschen zu begeistern! Mein Vorvorgänger im Amt des Landeskirchenmusikdirektors, Klaus Dieter Mücksch, hatte in den 90er Jahren mal eine Arbeitsgruppe zu irgendeinem Thema oder Ähnliches zusammenzustellen. In diesem Zusammenhang fiel dann auch der Name Saretz. Noch heute höre ich ihn sagen: «Den Saretz brauche ich gar nicht zu fragen, der sitzt ja sowieso den ganzen Tag an der Orgel«. Recht hat er gehabt!
- Ekkehard Saretz hat hier in Torgau mit Fleiß und Beharrlichkeit immer wieder musikalische Reihen und Höhepunkte geplant und die dazu nötigen Fördermittel beantragt und abgerechnet. Ich darf an dieser Stelle die Gelegenheit wahrnehmen einmal auszusprechen, dass der Freistaat Sachsen über die vorzüglichste Kulturförderung im Vergleich der mitteldeutschen Länder verfügt. Allerdings muss man diese Fördermöglichkeiten eben auch nutzen und das ist hier in den letzten 30 Jahren beispielhaft geschehen.
- Ekkehard Saretz hat immer – mindestens seit 1990 – eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Institutionen, Gremien und Funktionsträgern der Stadt Torgau gepflegt, eine echte win-win-Partnerschaft. In dieser Form ist das wirklich auch nach 30 Jahren deutscher Einheit recht selten, ich persönlich habe es aus der Ferne immer bewundert und ehrlich gesagt auch ein bisschen beneidet.
- Er hat sich im kirchlichen Alltag auch manches vom Leib gehalten, wenigstens wenn es ihm nicht wichtig genug erschien. Nicht immer ist er dafür geliebt worden. Aber so richtig übel genommen hat es dann auch niemand, da jeder sich davon überzeugen konnte, dass nicht Faulheit der Grund war, er saß eben an der Orgel!
- Ekkehard und Hildegard Saretz – endlich sollen nun mal beide genannt werden – hinterlassen nun hier so Einiges, zunächst mehrere vorzügliche neue Instrumente: Die Schuster-Orgel, 1984 eingeweiht, die Vier-Orgel in der Schlosskirche 10 Jahre später, die Truhenorgel, ein Cembalo. Aber vor allem hinterlassen sie lebendige Traditionen: Die farbigen Konzertreihen, die Festwochen der Kirchenmusik, die Orgelnächte, die gut geschulte Johann-Walter-Kantorei u.v.a.m.
- »Kirchenmusik ist etwas ganz Bedeutendes und vollkommen unverzichtbar!« Ekkehard Saretz hat es in all den Jahren verstanden, den Menschen in Torgau und darüber hinaus, insbesondere denen, die mit ihm musiziert haben, aber auch den Gottesdienst- und Konzertbesuchern, immer wieder deutlich zu machen, dass Kirchenmusik auch heute lebendig ist und durchaus ein Lebenselixier sein kann.
»Ich bin ein Saurier. Und ich sterbe jetzt aus«. Ist Saretz ein kirchenmusikalischer Saurier? Sterben solche wie er aus?
Einer seiner Vorgänger, Ernst Gottlieb Klimt, hat es von 1786 bis 1836 fast 51 Jahre auf der Orgelbank in Torgau ausgehalten. Johann Adam Hiller (ab 1789 Thomaskantor in Leipzig) schreibt im Jahr vor Klimts Amtsantritt in Torgau in einem Brief, Klimt sei »einer der besten Clavier- und Orgelspieler in Leipzig, von ungemein viel Fertigkeit in Händen und Füßen, mit gründlichen Kenntnissen in der Harmonie, ein Mann mit Bescheidenheit, Sittsamkeit, Verträglichkeit und großen Fleißes«.
Können wir – können Sie – dasselbe auch über Ekkehard Saretz sagen? Einer der besten Clavier- und Orgelspieler? Mindestens letzteres trifft schon mal zu. Von ungemein viel Fertigkeit in Händen und Füßen? Das gehört ja dazu. Mit gründlichen Kenntnissen in der Harmonie? Mindestens praktisch wohl ja. Ein Mann mit Bescheidenheit? Hmm, naja …? Mit Sittsamkeit? Anderes habe ich wenigstens nie vernommen. Mit Verträglichkeit? Das ganz gewiss, mindestens, solange man einer Meinung war.Und großen Fleißes? Das ist wohl unbestritten. Ist Ekkehard Saretz ein Saurier? Es könnte schon sein. Sterben solche wie er aus? Ich hoffe doch sehr, nein!!!
Herzlichen Glückwusch!
Dietrich Ehrenwerth