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Johann Walter Plakette 2020 – Laudatio auf UMD Prof. David Timm

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Oberbürgermeisterin! Frau Staatsministerin! Lieber Herr Präsident Kersten! Lieber Herr Timm!

Es mag sein, dass das Präsidium des Sächsischen Musikrates so etwas wie einen Brückenschlag zwischen zwei Generationen von Kirchenmusikern beabsichtigt hat, als es den Laudator für die heutige Preisrede auf David Timm auswählte. Beim Laudator ruft der Anlass zunächst Erinnerungen an sehr unterschiedliche Konstellationen der persönlichen Beziehungen zum hier Geehrten hervor. Sie reichen von der Rollenverteilung zwischen Professor und Student sowie zwischen prüfungsleitendem Rektor eines Meisterklassenexamens und Examiniertem bis hin zu gemeinsamen Diensten im Universitätsgottesdienst und dem gleichberechtigten, kollegialen Miteinander in Gremien und Kommissionen. Wann wir uns, lieber Herr Timm, zum ersten Mal begegnet sind, weiß ich nicht mehr so genau, Es müsste wohl schon in den 1980er Jahren gewesen sein, dass ich Ihnen in Ihrem Elternhaus in Waren an der Müritz begegnet bin. Übrigens wusste ich schon deswegen damals von Ihnen, weil im Kollegenkreis der mecklenburgischen Kantorinnen und Kantoren immer mal von dem Thomaner-Sohn des Wahrener Kantorenehepaares Timm die Rede war. Die nähere Geschichte zwischen uns begann jedenfalls 1992, als Sie studentisches Mitglied in der Gründungskommission zur Wiedergründung des Kirchenmusikalischen Instituts in Leipzig gewesen sind.

David Timm wurde 1969 im mecklenburgischen Waren geboren. Er wuchs in einem Kantorenhaushalt auf und erhielt als Thomaner und 1. Chorpräfekt sozusagen seine musikalische Grundausbildung, ehe er an der Hochschule für Musik sein Orgelstudium, wie die Terminologie zu jener Zeit lautete, aufnahm. Zunächst Hannes Kästner und ab 1993 Arvid Gast im Fach Orgel und Volker Bräutigam im Fach Liturgisches Orgelspiel und Improvisation waren seine ihn prägenden Lehrer. An das Examen 1995, mittlerweile am Kirchenmusikalischen Institut bzw. der um das Schauspiel erweiterten HMT, schloss sich ein Meisterklassenstudium Klavier bei Markus Tomas inklusive eines einjährigen Studienaufenthaltes bei Karl-Heinz Kämmerling in Salzburg an. David Timms Interesse und Begabung bezog sich aber schon frühzeitig auch auf die Klavier- und Orgel-Improvisation, wie entsprechende Wettbewerbserfolge in Weimar aus den frühen 90er Jahren und in Schwäbisch-Gmünd 1997 ausweisen. Doch damit nicht genug – eine weitere Leidenschaft richtete und richtet sich bis heute auf den Jazz. 1998 erhielt er gemeinsam mit dem Saxophonisten Reiko Brockelt das Leipziger Nachwuchsjazzstipendium, 1999 folgte die Gründung der UniBigBand. Seit 2002 engagiert sich David Timm für ein »heißes Eisen« der Leipziger Musikpflege, für Richard Wagner. Er übernahm den Vorsitz in der auf die Vorbereitung von Wagners 200. Geburtstag ausgerichteten »Richard-Wagner-Gesellschaft Leipzig 2013 e.V.«, die mittlerweile in »Leipziger Romantik« umbenannt worden ist. In der Nachfolge von Thomaskantor Georg-Christoph Biller hatte Timm von 1999 bis 2006 die Leitung des Leipziger Vocalensembles inne. 1998–2002 war er Lehrbeauftragter an der Hochschule für Kirchenmusik in Halle im Fach Dirigieren, seit dem gleichen Jahr unterrichtet er an der Hochschule für Musik und Theater Liturgisches Orgelspiel und Improvisation. Die Sächsische Mozartgesellschaft ehrte Timms vielseitiges Wirken 2008 mit der Verleihung des Mozartpreises. Und die HMT würdigte sein pädagogisches Wirken 2017 mit der Ernennung zum Honorarprofessor. Und um wenigstens noch dies zu nennen: für das Reger-Gedenkjahr 2016 war David Timm Künstlerischer Leiter der vorbereitenden Arbeitsgruppe – gipfelnd in der eindrucksvollen Aufführung von Regers 100. Psalm in der Thomaskirche Diese keineswegs vollständige Aufzählung fester und ehrenamtlicher Tätigkeiten spiegelt jedenfalls eine ungewöhnliche Breite und Vielfalt der musikalischen »Spielwiesen«, auf denen sich Herr Timm bewegt. Und dabei habe ich sein Hauptamt noch nicht einmal genannt, die ehrenvolle Berufung in das Amt des Universitätsmusikdirektors der Universität Leipzig im Jahre 2005. Bei der – darf ich so sagen? – musikalischen Umtriebigkeit, die für David Timm charakteristisch ist, stellen die Aufgaben als UMD mit der Leitung von Chor und Pauliner Barockorchester den archimedischen Punkt dar. Vom ruhenden Pol seiner Arbeit zu sprechen, zögere ich angesichts der oft mühseligen organisatorischen und finanzstrategischen Mühen, die damit verbunden sind.

Die Arbeit als UMD aber als das Zentrum von Herrn Timms Arbeit zu bezeichnen, um das alles Übrige kreist, ist gewiss zutreffend. Ich erinnere an die langwierigen, konfliktreichen Prozesse um den Bau von Aula und Universitätskirche und an die komplizierten, letztlich so erfolgreichen Bemühungen um die Orgeln der Universitätskirche. Hier war und ist David Timm um klare Äußerungen und Konturen auch gegenüber der Universitätsleitung nie verlegen gewesen, auch wenn er seine Anliegen mit der ihm eigenen, manchmal spitzbübischen Liebenswürdigkeit vorzutragen und zu verbinden weiß Ich habe es deutlich gespürt, wie David Timm die Unikirche als Zentrum der Arbeit des Unichores herbeigesehnt hat, und erlebe es, wie er seit der Einweihung den Ort auf fantasievolle Weise nutzt. Die stilistische Vielfalt, die ihm zu Gebote steht, kommt den höchst unterschiedlichen Programmen zugute, die von Alter Musik und Bach über Romantik und klassische Moderne bis hin zu Jazzinspirationen reichen, von Orgelmusik bis zu großen Chorprogrammen, eingeschlossen die Passionen, Messen und Kantaten J. S. Bachs. Und wenn man heute gerne in die Universitätsgottesdienste geht, dann nicht nur, weil man billigerweise eine niveauvolle Predigt erwarten darf, sondern ebenso sicher sein kann, eine gleichermaßen niveauvolle wie nicht selten überraschende Gottesdienstmusik zu hören. Ja, dies gehört unzweifelhaft zum Selbstverständnis des UMD dazu: Er ist stilistisch breit aufgestellt, aber gerade bei seinen Ausflügen in den Pop- und Jazzbereich niemals auf billige Effekte und vordergründige Kundenfreundlichkeit aus, sondern immer auf die Wahrung künstlerischer Ansprüche und Forderungen. Dies zeichnet seine Arrangements, seine Bach-Bearbeitungen und Improvisationen ebenso aus wie seine Kompositionen, wobei ich hier nur die vom Landesjugendorchester des Sächsischen Musikrates 2011 uraufgeführte Jazzmesse und die musikalische Gestaltung des Schlussgottesdienstes des Deutschen Evangelischen Kirchentages 2011 in Dresden erwähnen will. Dass Timms Arbeit national und international Beachtung erfährt und über Leipzig hinaus ausstrahlt, kann nicht verwundern. Konzertreisen als Organist und mit dem Universitätschor führten ihn in viele Länder, u.a. nach Sevilla, in die USA, in das Baltikum und sogar bis in den Petersdom nach Rom. So hat die Leipziger Universitätsmusik unter seiner Leitung und Verantwortung einen weithin bekannten guten Klang und Namen, was letztendlich auch dem Ruf der Alma mater Lipsiensis dient und von dieser geschätzt wird. Es ist beglückend zu erleben, wie die Pflege der Universitätsmusik in Breite und Intensität an ihre eigenen illustren Traditionen anknüpft, befreit von ideologischen Einschränkungen und nunmehr heimgekehrt an einen angemessenen Ort, und dabei in bester Weise dem Anliegen einer Universität gerecht wird – nämlich der Verbindung von traditio et innovatio.

Ich breche hier mehr ab als dass ich den ganzen Kreis von Timms Arbeit abgeschritten und gewürdigt hätte. Dass aber die heutige Ehrung mit der Johann Walter Plakette bestens zu begründen ist, dürfte unstrittig sein – und dies nicht nur, weil David Timm die Musik jener Universität leitet, an der um 1520 herum Johann Walter immatrikuliert gewesen ist (übrigens ohne einen akademischen Abschluss zu erreichen). So gratuliere ich Ihnen, lieber Herr UMD Prof. Timm, von Herzen zu dieser verdienten Ehrung und gratuliere dem Sächsischen Musikrat zu seiner klugen Entscheidung zur Vergabe der diesjährigen Walter Plakette.

Prof. Dr. Christoph Krummacher