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Situation und Perspektive der Schulchöre an den Schulen im Freistaat Sachsen

Der Ausschuss für Schule und Sport des Sächsischen Landtages setzte sich in einer Öffentlichen Anhörung am 18. August 2017 mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE »Situation und Perspektive der Schulchöre an den Schulen im Freistaat Sachsen« (Drucksache 6/2989) auseinander. Der Antrag war dabei wie folgt formuliert:

Die Staatsregierung wird ersucht, dem Landtag zu berichten über
• die Entwicklung der Schulchöre im Freistaat Sachsen hinsichtlich deren Anzahl in den Landkreisen und Kreisfreien Städten und der Anbindung an die einzelnen Schularten;
• den Umfang der personellen Betreuung der Schulchöre durch Musiklehrerinnen und Musiklehrer sowie andere Musikerinnen und Musiker;
• die Förderung von Schulchören im Rahmen der Förderung von Ganztagsangeboten und
• die für Schulchöre zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel und Fördermöglichkeiten für Proben, Konzerte und Chortreffen o.ä.

Begründung:
Im September 2015 wies der Sächsische Musikrat mit einem Schulchorprojekt und Konzert darauf hin, dass die Anzahl der Schulchöre in Sachsen drastisch abgenommen habe und aufgrund der Dringlichkeit der Absicherung der Unterrichtsversorgung in den Hintergrund gerate. Schulchöre bieten jedoch gerade außerhalb des regulären Musikunterrichts die Gelegenheit, klassen- und jahrgangsübergreifend mit Schülerinnen und Schülern Musik zu erleben und zu produzieren und tragen damit zur Integration bei.

Als Sachverständige waren eingeladen:
Georg Biegholdt, Bundesverband Musikunterricht LV Sachsen
Ulf Firke, Gymnasium »Am Sandberg« Wilkau-Haßlau, Sächsischer Landesbeauftragter »Schulen musizieren«
Nancy Gibson, Städtische Musikschule Chemnitz
Prof. Christoph Krummacher, Sächsischer Musikrat, Präsident
Thomas Lohse, Sächsischer Chorverband e.V., Geschäftsführer
Prof. Frank Peter, HMT Leipzig – Institut für Musikpädagogik, Schulmusikausbildung
Max Röber, Pestalozzi-Gymnasium Heidenau
Andreas Schwinger, Amt Kultur-Stadt-Marketing Freiberg, Sachgebietsleiter
Torsten Tannenberg, Sächsischer Musikrat e.V., Geschäftsführer

Nachfolgend die Statements der beiden Vertreter des Sächsischen Musikrates:

Prof. Dr. Christoph Krummacher

Ich begrüße es sehr, dass das Thema der Schulchöre an den öffentlichen Schulen im Freistaat Sachsen auf die Tagesordnung Ihres Ausschusses gekommen ist. Es geht um ein Thema, das dem Sächsischen Musikrat, dem Sächsischen Chorverband, den Schulmusikern und anderen schon lange am Herzen liegt und auf dessen Brisanz wir seit vielen Jahren hingewiesen haben. Die Diskussion leidet darunter, dass alle Interessierten zwar Beobachtungen, aber kein verlässliches Material hatten und haben, mit dem die Diskussion aus dem Stadium des »Gefühlten« in das Stadium der verlässlich basierten Fakten überführt werden könnte. Ich hoffe daher, dass die heutige Anhörung ein erster Schritt zu einer solchen vertieften Diskussion sein wird. Ich mache mir die Äußerungen meiner Vorredner zur elementaren und grundsätzlichen Bedeutung des Singens ausdrücklich zu Eigen. Mein Statement konzentriert sich allerdings auf Beobachtungen und Rückfragen hinsichtlich der Antwort des Staatsministeriums für Kultus auf den Antrag des Landtages.

Das SMK gibt an, es gäbe an den öffentlichen Schulen in Sachsen (per 15. Oktober 2015) 675 Chöre, genauer »eine Arbeitsgemeinschaft Chor«. Diese Zahl sagt über den rein nominellen Wert hinaus nicht sehr viel. Aussagekräftig wird sie m. E. erst mit Bezug auf die Gesamtzahl öffentlicher Schulen. Lt. Sächsischer Schulstatistik gab es im Schuljahr 2015/16 in Sachsen 1368 Schulen, davon 746 Grundschulen, 279 Oberschulen, 120 Gymnasien sowie 135 allgemeinbildende Förderschulen und 88 berufsbildende und Schulen des 2. Bildungsweges. Gemessen an den in der Antwort des SMK berücksichtigten Schultypen muss die Zahl 1368 als Vergleichsmaßstab genommen werden. Das aber bedeutet, dass es nur an knapp 50% der sächsischen Schulen in öffentlicher Trägerschaft einen Chor gibt. Etwas verwirrend für mich ist der Hinweis, die genannte Zahl von 675 Chören würde auf Einträgen »aus den Jahren 2006 bis 2015« stammen. Wenn ich das recht verstehe, ist also damit nicht unbedingt der Ist-Stand von 2015 erfasst und über Schwund oder Aufwuchs der Schulchöre ist erst recht daraus keine Erkenntnis zu gewinnen, da eine statistische Erfassung dazu nicht existiert.

Auf Grundlage der Übersicht des Ministeriums lässt sich mit einiger Mühe errechnen – das SMK hat eine Aufschlüsselung offenbar für unnötig gehalten –, dass ca. 85% der Gymnasien (102 von 120), ca. 52% der Grundschulen (391 von 746) und ca. 45,5% der Oberschulen (127 von 279) Chorarbeit betreiben bzw. betrieben. Für die allgemeinbildenden Förderschulen, berufsbildende und Schulen des 2. Bildungsweges (insgesamt 223) gibt es 42 Einträge, was einer bedenklich niedrigen Quote von ca. 19% entspricht. Dabei liegt die Quote bei den Förderschulen bei ca. 29% (39 von 135). Nun mag gerade hier Chorarbeit im eigentlichen Sinne kaum den Bedürfnissen entsprechen. Umso wichtiger wäre es zu wissen, wie der Musikunterricht dort überhaupt abgesichert ist. – Aufs Ganze gesehen lässt sich trefflich darüber streiten, ob man diese Zahlen als gut oder schlecht bewerten will. Ich denke, die Quote ist zwar im Durchschnitt nicht gänzlich schlecht, sie ist aber keineswegs befriedigend, schon gar nicht hinsichtlich des Gefälles zwischen den Schultypen.

Der Sächsische Musikrat hat eine – natürlich freiwillige – Befragung an Oberschulen und Gymnasien vorgenommen, die im Wesentlichen diese Ergebnisse bestätigt, allerdings ganz bewusst auch nach andere Formen musikalischer Ensemblearbeit (Schulorchester, Band) gefragt hat. Wir halten es für sinnvoll, übrige musikalische Bildungsangebote neben dem Chor zu berücksichtigen, da es musikpädagogisch durchaus zu diskutieren ist, ob der Chorarbeit ein singulärer Vorrang einzuräumen wäre. Für weniger hilfreich halte ich allerdings den Hinweis des SMK auf eine Erhebung der TU Dresden zur Gesamtzahl »musisch-künstlerischer Angebote«. Dieser Begriff ist diffus. Sicherlich ist es unstrittig, dass musische Bildung auch durch andere Kunstsparten geleistet wird. Und wir sind uns gewiss darin einig, dass es darauf ankommt, Kindern und Jugendlichen ganz grundsätzlich den Weg zu jener Welterfahrung zu vermitteln, die durch die Künste eröffnet wird – im Einzelnen kann und muss dies nach Neigung und Anlage variieren. Aus bildungsdidaktischer Sicht ist es dennoch geboten, die einzelnen Künste und Genres gesondert zu betrachten.

Ein weiterer Aspekt ist die Frage, von wem die Chorarbeit an den Schulen geleistet wird. 132 Mal ist angegeben worden, hier seien externe Kräfte tätig. Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden, zumal es Freiberuflern eine Chance gibt. Bedenklicher ist indes, dass es keine Angaben zur konkreten Qualifikation der Externen im GTA-Bereich gibt. Bei Einführung der GTA hatte der Sächsische Musikrat in mehreren, aber leider erfolglosen Gesprächen mit der Bildungsagentur Vorschläge unterbreitet, wie man hierbei behutsam steuern könnte, um die fachliche Qualität der Angebote zu sichern. Ich halte es für dringend geboten, sich dieses Problems erneut anzunehmen. Außerdem bleibt in der Antwort des Ministeriums offen und war – wenn ich recht sehe – wohl auch in der Anfrage nicht expressis verbis angesprochen, was von der Chorarbeit im regulären, was im GTA-Bereich abläuft bzw. ob und wie eine Verschiebung aus den regulären Deputaten in den GTA-Bereich stattgefunden hat. Das SMK weist hierzu nur auf die fünf Gymnasien mit musischem Profil hin. Im Umkehrschluss muss dies wohl so verstanden werden, dass an allen übrigen Schulen Chor- und Ensemblearbeit nicht zum Deputat der Musiklehrerinnen und Musiklehrer gehört, im Unterschied zur Situation vor etlichen Jahren. Dies entspricht leider auch den Beobachtungen, die der Sächsische Musikrat macht. Mag dies dem Umstand geschuldet sein, dass die Bemühungen um die Absicherung der Kernfächer derzeit im politischen Fokus stehen – es bleibt höchst unbefriedigend. Denn was sind »Kernfächer«? Ich habe den fatalen Eindruck, dass für die notwendige und Not-wendende Funktion künstlerischer Bildung in der Schule immer noch geworben werden muss. Denn allen theoretischen Beteuerungen zum Trotz scheint es in der alltäglichen Praxis so zu sein, dass erst einmal vieles andere bedacht wird, und wenn dann noch Ressourcen frei sind, kann man über Musik und Bildende Kunst reden. Mir ist dabei bewusst, dass dies alles auch und nicht zuletzt mit der prekären Lehrersituation in Sachsen zusammenhängt. Sie wird sich, davon bin ich überzeugt, trotz der hohen Zahl von Lehramtsstudenten an unseren Hochschulen nur verbessern, wenn es wirklich attraktiv ist, in Sachsen als Lehrerin oder Lehrer zu arbeiten!

Zum Schluss möchte ich drei Gesichtspunkte benennen, die mir für die weitere Bearbeitung des Problemkreises wichtig scheinen:
• Ich halte es für unabdingbar, dass zur Situation des Musikunterrichtes sowie der Chor- und Ensemblearbeit an den sächsischen Schulen eine kontinuierliche Erhebung und Erfassung installiert wird. Ich glaube, dies liegt im allgemeinen bildungspolitischen Interesse, um auf Fakten und nicht auf Gefühlen beruhend diskutieren zu können, wie ich schon eingangs andeutete. Ich würde mir hierbei ein deutlicheres Interesse an den Fragen der musikalischen Bildung wünschen – ein Interesse, das ich der Antwort des SMK nur sehr bedingt entnehmen kann.
• Wir müssen m. E. zur Frage der Qualitätssicherung im GTA-Bereich tätig werden. Dazu habe ich Andeutungen bereits gemacht.
• Drittens und zum Schluss: Ich hoffe inständig, dass das Thema Chor und Musikunterricht an unseren Schulen auf der Agenda bleibt und nicht mit der heutigen Anhörung als erledigt gilt. Dazu brauchen wir einen langen Atem. Seitens des Sächsischen Musikrates biete ich ausdrücklich dafür die Kooperation an. Ich denke, wir haben als Musikrat genug fachliche Expertise, um zusammen mit den politisch Verantwortlichen sinnvoll an notwendigen Verbesserungen arbeiten zu können.

Torsten Tannenberg

Sehr geehrter Herr Schreiber, sehr geehrte Mitglieder des Sächsischen Landtages, sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Torsten Tannenberg. Ich habe von 1985 bis 1989 Schulmusik an der Hochschule für Musik »Franz List« Weimar studiert und bin seit 1997 Geschäftsführer des Sächsischen Musikrates.
Bitte betrachten Sie meine Ausführung als Ergänzungen zu den Vorträgen der Professoren Krummacher und Peter. Ich unterstütze deren Ausführungen ausnahmslos und möchte diese Inhalte nicht nochmals wiederholen.

Naturgemäß ist dem Sächsischen Musikrat natürlich an dem heute diskutierten Thema viel gelegen. Wenn nicht wir, wer sollte dann für einen solchen Inhalt streiten. Ich sehe daher das Thema Schulchöre auch als Synonym für den Bereich der musikalisch-ästhetischen Ausbildung, der musisch-kulturellen Bildung unserer Kinder. So wie wir mit dem Thema kultureller Bildung umgehen – die amtierende Staatsregierung hat sich dazu auch im aktuellen Koalitionsvertrag Aufgaben gestellt – so wie wir auch umgehen mit diesem Bereich, wo die zahlenmäßig meisten und bestbezahlten Fachleute in einem festgefügten Umfeld vorhanden sind – in der Schule – so werden sich auch im Ergebnis unsere Anstrengungen zum Aufgabenfeld Kulturelle Bildung bemessen.

Sicher, Musik ist kein Kernfach. Das habe ich auf dem Sächsischen Bildungsserver so gelesen. Es gehört zu den sogenannten »Weiteren Fächern«, denn »Die Kernfächer Deutsch, Mathematik und Englisch sind von zentraler Bedeutung.« Aber einmal im Jahr erinnert sich fast jeder Schulleiter an seinen Chor, Sie ahnen wann: zum Weihnachtssingen. Auch der Ausländerbeauftragte des Freistaates feiert jedes Jahr sein Einbürgerungsfest mit einem Chor, weil er der Meinung ist, damit die Beste Brücke zwischen denjenigen zu schlagen, die hier geboren und denjenigen, die zu uns gekommen sind. Andererseits haben wir mit Artikel 11 (Förderung von Kultur, Kunst, Wissenschaft und Sport) der Kulturellen Bildung einen sehr hohen Verfassungsrang eingeräumt. Wir feiern uns daher auch gern als DAS deutsche Kulturland.

Die Hälfte aller musikalischen Initiativen im Nachwuchs- und Laienbereich in Deutschland finden derzeitig in zwei Bundesländern statt: in Bayern und Baden-Württemberg. Ein unglaublicher Reichtum an Vereinen, Schulensembles, Musikschulen und Institutionen geben den Rahmen gesellschaftlichen Zusammenlebens in diesem Teil Deutschlands vor. Das Kulturland Sachsen ist davon meilenweit entfernt, nicht, weil wir unglaublich viel Geld in unsere Theater und Orchester stecken, sondern weil wir meinen, dass das das Interesse an Kultureller Bildung in unserem Kulturraum irgendwie schon nachwächst. Das tut es aber nicht, wir müssen etwas dafür tun: Für knapp die Hälfte aller Sängerinnen und Sänger über 50 Jahren in den 1.600 Chören mit 35.000 Mitgliedern in Sachsen war es die Musiklehrkraft der Grundschule, die erste Chorerfahrungen vermittelt hat. Daten, die in aller Deutlichkeit die musikalischen Angebote und Aktivitäten der Grundschule als ein Fundament für die Motivation herausstellen, sich über viele Jahre einem Chor anzuschließen und das Chorsingen zu einem bedeutsamen Faktor für die eigene Lebensgestaltung werden zu lassen.

Fakt ist: Unsere bestehenden Schulchöre wandern in den Bereich der Ganztagsangebote ab. Bereits jetzt finden vier von fünf Vokalangeboten dort statt. Es ist absehbar, dass dies nicht mehr stattfinden wird, wenn der Lehrermangel ernsthafte Konsequenzen auf die Durchführbarkeit eines geordneten Schulunterrichts in einigen Jahren haben wird. Und es ist einfach die Frage, ob wir das wollen. Wie können wir das aber beeinflussen? Zentral und administrativ gar nicht. Die Organisation dessen, was inhaltlich in Schule passiert, ist mittlerweile auf die unterste Ebene der Kulturhierarchie delegiert, die Schule, den Schulleiter. Das Thema »Schulchöre« deshalb hier in diesem hohen Haus zu behandeln, ist daher sehr lobenswert, wird aber keinen Beschluss nach sich ziehen, der an der Situation direkt etwas ändert. Im Sächsischen Staatsministerium für Kultus kenne ich niemanden, der sich für das Thema stark macht. Immer wenn wir als Musikrat diese Themen in der Vergangenheit angebracht haben, wurde auf die Eigenverantwortung der Schulen verwiesen. Wir haben diese in den Jahren 2007 und 2008 in der leidigen Diskussion um Qualitätskriterien im GTA-Bereich erfahren müssen. Den gegenwärtigen Zustand des Personalmanagements im Bereich der angestellten Lehrkräfte an Allgemeinbildenden Schulen in Sachsen kann man als katastrophal bezeichnen. Frau Staatsministerin Kurth hat dazu am 3. August dieses Jahres alles gesagt. Sie hatte ja bereits im April 2016 unter der Überschrift »weniger Faktenwissen, mehr Kompetenzen« eine »Entrümpelung« der Lehrpläne angekündigt. Frau Staatsministerin, wir hoffen hier sehr auf Sie, denn: »Zur lebensweltlichen Orientierung des Menschen gehört neben anderen Bildungs- und Erfahrungsbereichen unabdingbar die ästhetisch-kulturelle Bildung. Mit ihr bleiben die Wurzeln unserer historisch gewachsenen Identität präsent, ohne die gegenwärtige Lebenssituationen und weltweite kulturelle Vielfalt nicht zu verstehen sind. Indem wir tradierte Kunst und Kultur rezipieren, erschließen sich Räume neuer Gestaltungen und Grenzüberschreitungen. Ganzheitliche Erfahrung der Welt braucht das lebensbegleitende Zusammenwirken unserer intellektuellen und emotionalen Potentiale.« (SMR 2012, Grundsatzpapier zur Musikalischen Bildung). Verschieben Sie mit Hilfe einer Lehrplan-Revolution, sehr geehrte Frau Staatsministerin, die Schwerpunkte dessen, was an unseren »Lernfabriken« bisher stattfindet und lassen Sie uns in Sachsen damit Vorreiter in Deutschland werden.

In diesem Umfeld zum Thema Schulchöre etwas bewegen zu wollen, ist kurzfristig sinnlos, langfristig aber sinnvoll. Denn wenn wir etwas bewegen wollen, um unsere Landeskindern den Zugang zu Kunst und Kultur weiterhin zu öffnen, dann sollte die Schule nicht außen vorbleiben. Denn was passiert seit sieben Jahren? Freiwillig Definiertes wird abgebaut, zugunsten der Unterrichtsabsicherung, Chorstunden sind nur einzelnen hochqualifizierten Schulmusikern in Sachsen vorbehalten.
Es gibt dazu viele Wege. Aber ich sage Ihnen: Mit 50 Kindern stetig an einem Ziel zu arbeiten, ihnen Verantwortung zu geben, Disziplin und Ausdauer abzufordern, Leidenschaft, Sprache, Emotionalität, Begegnung mit dem Fremden, der eigenen Geschichte und das Glück von Anerkennung zu erleben – all das haben sie in einem Chor mit einer gut ausgebildeten Musiklehrerin oder Musiklehrer. Aus ganz praktischen Gründen schlägt jeder Chor ein Band-Angebot oder einen Töpfer-Kurs. Musik ist immer etwas Gemeinschaftliches, und gemeinschaftliche Aktivitäten stärken den Zusammenhalt einer Gruppe. Singen sorgt dafür, dass sich Menschen »emotional synchronisieren« – eine unverzichtbare Voraussetzung für gemeinsames Handeln, das wiederum unabdingbar für das Überleben von Gesellschaften. Damit das nicht in Vergessenheit gerät, hat die Natur in unserem Gehirn zusätzlich noch für einen besonderen Kick gesorgt: Musik stimuliert das Belohnungszentrum und löst dadurch Glücksgefühle aus, ähnlich wie Essen oder Sex.

Ich will enden mit einem persönlichen Erlebnis, was mich sehr beeindruckt hat. Es war die Festrede des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble zur Wiedereröffnung des Dresdner Kulturpalastes am 28. April des Jahres: »Möglicherweise kommunizieren wir so viel miteinander wie noch nie in der Geschichte der Menschheit. Aber die Form, in der wir das tun, genügt die wirklich unseren Bedürfnissen? Befriedigt sie unsere Angewiesenheit auf Nähe, auf tatsächliche Wahrnehmung des Anderen? Macht es uns glücklich, wenn unmittelbare Kontakte immer seltener werden? Ich denke […] Es gibt keinen Ersatz für die gesellschaftliche Interaktion im sozialen Raum, über Kultur und Engagement. Kultur: Musik, Bücher, das gesprochene Wort, die Selbstverständigung von Gemeinschaften in Diskussionen und in Kunstwerken, das alles hält eine Gesellschaft zusammen.«

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!